Was haben Sport und Kultur gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig, bei genauerer Betrachtung jedoch mehr als man denkt. Im Mittelpunkt von Jakub Kavins Sportstück – das erste in der neu bezogenen fixen Spielstätte des Vereins „Theater Arche“ im ehemaligen „Theater Brett“ in der Münzwardeingasse – steht der Mensch. Auch wenn dieser zunächst in der Masse beziehungsweise im Gewurl, das auf der Bühne mit 16 gleichzeitig agierenden SchauspielerInnen herrscht, untergeht. Es braucht etwas Zeit, doch dann treten sie aus der Menge – gebrochene, verkrümmte, widerständige Zahnräder eines perfekt geschmierten Unterhaltungssystems. Vom Helden bis zum Gefallenen ist es oft nur ein Bruchteil einer Sekunde. Einen Tick zu spät reagiert und der Ball ist im Tor, kurz nicht aufgepasst und der Halt ist verloren. In „Anstoß“ erzählen zwei Fußballer und eine Bergsteigerin vom tiefen Fall.
Während Gela Allmann nach einem schweren Sturz mühsam wieder auf die Beine kommt, geht es für Tormann Robert Enke auch ohne vereisten Steilhang bergab – in die Depression. 2:8 tönt es im Chor auf der Bühne zur Melodie von „Bruder Jakob“ – schläfst du noch – ein vermutlich oft geäußerter Vorwurf aufgebrachter Fans.
Diese haben immerhin genauso viel Zeit wie die Spieler investiert. Mehr noch, denn während diese kommen und gehen bleibt der Fan seinem Verein treu, weiß einer von ihnen zu berichten.
Blick im Scheinwerfer-Licht auf die Schattenseiten
„Was ist das Heldentum ohne sein Publikum“, fragt sich mit ihm Kavin, der für das Stück unzählige Seiten an Informationsmaterial gelesen hat. Originalzitate von Sportlern und Sportfunktionären treffen auf Textpassagen von Intellektuellen und Philosophen. Gewalt, Medikamentenmissbrauch und sexuelle Übergriffe – thematisiert werden vor allem die Schattenseiten der Sportwelt. Sei es am Beispiel der Eisläuferin Tonya Harding, der Kugelstoßerin Heidi, nach einer Geschlechtsumwandlung Andreas Krieger, oder Skirennläuferin Nicola Werdenigg, die in den Medien für Aufsehen sorgte, als sie die sexuellen Übergriffe von Trainern und Rennläuferkollegen während ihrer aktiven Zeit anprangerte. Der Doppelmonolog Werdenigg/Krieger (Eszter Hollosi und Maksymilian Suwiczak), zählt zu den bewegendsten und gelungensten des Abends. Werdenigg ist zudem bei ausgewählten Vorstellungen zu Gast.
Lediglich auf der Leinwand zugegen ist Radsportlegende Lance Armstrong. In einem Werbespot von Nike radelt der durch Dopingskandale angeschlagene Spitzensportler durchs Land. Bernhardt Jammernegg kommt hingegen auf seinem Drahtesel auf der Bühne ins Schwitzen. Fragen um Schuld werden angerissen. „Es geht nicht um einzelne Täter, sondern um ein System, das verändert gehört“, gibt auch Werdenigg zu bedenken.
Einer von mehreren angeschnittenen Diskursen, die den „Anstoß“ liefern über das Getöse rund um den Spitzensport nachzudenken.
Am Ende des Stücks werden die Protagonisten wieder in der Menge versinken – futuristische Klänge dringen an unser Ohr, die Schauspielerinnen und Schauspieler zucken zu Cyborgs optimiert dem Applaus entgegen. Dieser erfolgt verdient. Der „Anstoß“ zum Auftakt eines neuen Kapitels des „Theater Arche“ darf durchaus als gelungen bezeichnet werden.
Anstoß – Ein Sportstück
Weitere Termine:
7. bis 10., 14. bis 17., 21. bis 24., 28. Februar sowie 1. und 2. März 2019, 19.30 Uhr
(Nicola Werdenigg ist am 7., 8. und 22. Februar zu Gast)
Theater Arche
Münzwardeingasse 2
1060 Wien
www.theaterarche.at
© Fotos: Jakub Kavin
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